Betriebsgüte (loaded Q)

  • Hallo


    Mich interessiert die Berechnung von Verlusten in einem Anpassnetzwerk. Oft findet man den Ausdruck Betriebsgüte (englisch "loaded Q"), der die Lastimpedanz mit einschliesst.


    Problemlos kann ich ein Anpassnetzwerk (T, Pi etc.) simulieren und die Betriebsgüte als Verhältnis von Mittenfrequenz und Bandbreite ermitteln. Leider fand ich nirgends eine Formel zur analytischen Berechnung der Betriebsgüte mehrstufiger Anpassnetzwerke aus verlustbehafteten Komponenten.


    In der Physik gibt es eine zweite Definition der Güte Q:
    2 x Pi x gespeicherte Energie / verheizte Energie pro Periode.


    In unserem Fall ist die gespeicherte Energie in den L und C, verheizt wird in den R (sowohl in der Last wie auch in den verlustbehafteten Komponenten des Anpassnetzwerks).


    Wer hilft mir auf die Sprünge?


    73, Markus

    Einmal editiert, zuletzt von hb9brj ()

  • Lbr Markus,


    die Betriebsgüte hat meiner Meinung nach nur wenig mit den Verlusten in einer Anpaßschaltung zu tun, mit der Bandbreite einer Abstimmschaltung schon eher.


    Wenn ich beispielsweise von 50 Ohm auf 1000 Ohm reell transformieren will, dann benötige ich dazu eine Betriebsgüte von


    Q1 = Wurzel aus (Rp/50 - 1) = (1000/50 - 1) = 4,358


    Dann wird das Längsglied von 50 Ohm weg zur Last 1000 Ohm


    X1 = 50 * Q1 = 50 * 4,358 Ohm Blindwiderstand


    und das Querglied parallel zur hochohmigen Last


    X2 = Rp/Q1 = 1000/4,358 Ohm Blindwiderstand.


    In diesem Stadium der Rechnung wurde noch nicht entschieden, welches Glied von diesem L-Glied ein L und welches ein C sein soll, es muß nur eines ein C und das andere ein L sein.


    Induktivität und Kapazität erhält man dann durch Umrechnen der Blindwiderstände durch Einsetzen der Betriebsfrequenz.


    Über diese Blindwiderstände und die angedachte Leistung kann man auch die HF-Spannungen und -Ströme errechnen. Wenn man dann durch Messung ermittelt, welche Güte (Blindwiderstand zu Serien-Verlustwidestand) die Spule hat, dann kann man aus dem Strom und dem Serienverlustwiderstand auch die Verluste in der Spule ermitteln. Aber auch diese Verluste gelten dann nur für diesen Anpaßfall.


    Ich hoffe, aus dieser Darstellung erkennst Du den Unterschied zwischen Spulengüte und der Betriebsgüte einer Transformationsschaltung. Die Güte von Plattenkondensatoren ist ja vergleichsweise hoch, und ihre Verluste sind daher in der Regel zu vernachlässigen.


    Die Betriebsgüte wird zwangsläufig hoch, wenn man in der Impedanz sehr große Sprünge machen will oder muß, beispielsweise von 50 Ohm aus eine Halbwellenantenne mit 5000 Ohm Anpaßwiderstand anpassen. Dann wird nicht nur die Betriebsgüte hoch, die Folge ist auch eine Spule mit viel L und einem entsprechendem Serienverlustwiderstand und einem hohen Blindstrom durch sie hindurch, und dadurch sind solche Transformationen zwangsläufig auch mit höheren Verlusten behaftet. Aber daran ist im Grunde nicht die Betriebsgüte selbst schuld, sondern immer der Serienverlustwiderstand der praktisch verwendeten Spule.


    Solltest Du an der Berechnung von Anpaßschaltungen Interesse haben, kann ich dir mal eine Ausarbeitung von mir zusenden, die ich vor einiger Zeit schon mal für andere Interessenten zusammengestellt habe. Auf Verlustrechnungen bin ich darin aber nicht eingegangen.


    OK?

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Hallo Markus,


    vermutlich werden die Formel bei vielen Bauteilen kompliziert (siehe Erics Antwort). Aber simulieren kann man das doch: Einfach die Ersatzschaltbilder für die verlustbehafteten Bauteile eingeben, also für eine Spule ein L in Serie mit einem R dessen Widerstand sich aus der Güte errechnet. Für einen Kondensator einen C parallel mit einem R.


    Dies gilt allerdings nur für einen Bereich um eine feste Frequenz, da ja die Verlust Rs sonst wieder neu berechnet werden müssen ...




    73 de
    Günter
    dl5sdc

  • Besten Dank für alle Antworten.


    In diesem Forum erschliesst sich einem ein schier unerschöpfliches Wissen!


    Vor Mathematik fürchte ich mich nicht. Meine Beispiele rechne ich mit Excel (später vielleicht mal mit Matlab respektive Octave) und verwende dafür die bekannten Zweitor Matrizen [A] und [S]. Habe auch TLW und frage mich, wie die dort angezeigten QL zustande kommen.


    Das Buch von Wes Hayward habe ich leider nicht, aber eine grosse Sammlung von QST Artikeln zum Thema, beginnend mit dem Klassiker "Simplified Design of Impedance-Matching Networks" von George Grammer W1DF aus dem Jahr 1957. Die Mathematik hat sich ja seither nicht geändert, nur können wir heutzutage grosse Zahlenberge leichter verarbeiten als damals mit der Logarithmentafel...


    Die von Eric1 zitierte Formel für den Insertion Loss IL
    IL = -20 log(1-QL/QU)


    hat starke Ähnlichkeit mit dieser hier: IL = 10 log(|S21|^2) = 20 log(|S21|).


    S21 ist einer der 4 S-Parameter und entspricht dem "forward voltage gain". Das Vorzeichen ist hier mehr oder weniger Geschmackssache, denn ein Loss kleiner 0 wäre ja wieder ein Gain, hi.


    Jetzt bin ich mutig und schliesse aus den beiden Gleichungen, dass
    1-QL/QU = |S21| = U_ausgang / U_eingang


    ... und warte auf Experten-Kommentare.


    73, Markus

  • Hallo Markus,


    ... die Formel von Eric (nach Wes) gilt nur für einkreisige Schwingkreise. Also wenn Du S21 ausrechnen kannst (egal wie) hast Du gewonnen. Es gilt, wie Du schon sagst:
    IL=20 log |S21|
    Bequem wäre z.B. auch PSpice.


    73 de Günter
    dl5sdc

  • Lbr Horst,


    Punkt 4 deiner Zusammenfassung ist nicht ganz richtig!


    Es kommen auch Transformationen mit einer Betriebsgüte unter eins vor! Dann sind die Blindströme noch kleiner.


    Bei QB = 1 transformiert man schon von 50 Ohm aus auf 100 Ohm oder auf 25 Ohm.


    Die Transformationsbeziehung lautet ja: Rp/Rs = QB-Quadrat + 1.


    Und diese 1 macht den Unterschied. Bei QB = 1 ist der Transformationsfaktor schon 2.


    Was ich noch in meinen Ausführungen vergessen hatte in Worten richtig auszudrücken ist, daß die Betriebsgüte QB also von den Blindwiderständen und dem Quell- und Lastwiderstand der Transformationsschaltung bestimmt wird.


    OK?

    Ha-Jo, DJ1ZB

    Einmal editiert, zuletzt von dj1zb ()

  • Hallo Horst


    Tut mir leid, in deiner Formel steckt der Wurm drin:


    Zitat

    Original von dj6ev
    3) Die Verluste werden nur durch die Verlustwiderstände in den L/C-Gliedern hervorgerufen (--> Leerlaufgüte Qu).
    Daher kann man die von Eric angegebene Formel auch etwas anders schreiben:
    Leistungsverlust in % = 100*(1-(QB/Qu)^2)
    Beispiel: bei 100W und Qu = 20*QB beträgt der Verlust knapp 10% = 10W.


    Beispiel:
    Qu = 100, QB = 5.
    Deine Formel ergibt Leistungsverlust = 100*(1-(5/100)^2) = 99.75%.
    Wie kommst du auf die genannten 10% Verlust?


    Nach Wes und Eric beträgt die Einfügungsdämpfung = -20*log(1-5/100) = +0.45dB.



    Meine Version:
    Leistungsverlust [%] = 100 * (QB/Qu)^2.
    Logarithmiert: Insertion Loss [dB] = -20 * log(1-QB/Qu).


    Sorry wenn ich pingelig bin, aber der Teufel steckt ja immer im Detail.


    73, Markus

  • Hallo Markus:
    grrrr, eine falsch gesetzte Klammer und 'ne vergessene 1, und schon ist alles daneben. Du bist mit Recht pingelig. Hier ist die richtige Schreibweise:
    V[%] = 100*(1-(1-QB/Qu)^2). Sorry...und danke für den Hinweis.
    Übrigens, das entspricht auch den 0,45db (=ca. 10% Leistungsverlust).


    73, Horst

    Elektrosmog hält gesund

    Einmal editiert, zuletzt von dj6ev ()

  • Lbr Horst,


    ich kann mit deiner Erklärung leben.


    Man kann schlecht schreiben, daß es erst bei QB = Null keine Blindleistung und keine Erhöhung des Gesamtstromes durch Blindleistung mehr gäbe.


    Ein SWR von 1,7 bemühe ich mich aber doch noch wegzustimmen. Einmal, weil meine Anpaßgeäte es können. Zum anderen ist der Einfluß eines SWR von 1,7 auf die Anpassung unbestimmt, da man ja ohne weitere Angaben nicht weiß, ob die Anpassung höher- oder niederohmiger als 50 Ohm ist und welcher Blindanteil beteiligt ist.


    Aber diese Feinheiten mag jeder in seinem Shack halten wie er will.


    Schließlich bedeutet 1 S-Stufe mehr, daß die HF-Leistung um den Faktor 4 heraufgesetzt werden muß; insofern sind kleine Abweichungen vom Normalen für das Zustandekommen einews QSOs nicht entscheidend.

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Hallo OMs


    Das Thema liess mir keine Ruhe, und zahlreiche Artikel habe ich inzwischen gelesen.
    Heute stiess ich auf diesen hier, den ich euch nicht vorenthalten möchte:


    Analysis and Design of High Efficiency Matching Networks


    Beginnend mit dem simplen L-Netzwerk wird die Formel für dessen Wirkungsgrad hergeleitet
    und auch gezeigt, wie diese für praktische Zwecke vereinfacht werden kann.


    Im zweiten Teil wird die Kaskadierung von L-Netzwerken untersucht. Unabhängig von der Güte
    der verwendeten Spulen (!) gibt es für jedes Impedanz-Transformationsverhältnis eine optimale
    Anzahl Stufen für besten Wirkungsgrad.


    73, Markus

    Einmal editiert, zuletzt von hb9brj () aus folgendem Grund: externen Link aktualisiert.