MMIC Messverstärker für den FA-NWT

  • Hallo Uwe und alle MMIC-Fans,

    inzwischen habe ich ein leicht schlechtes Gewissen, meinen versprochenen Teil II zur MMIC-Praxis noch nicht geschrieben zu haben. Da nun Weihnachten vor der Tür steht nutze ich die Gelegenheit, diesen Beitrag gleich als kleines „Weihnachtsgeschenk“ nachzureichen. :]

    Dieses Mal würde ich folgende Themen etwas näher untersuchen und meine aus der Praxis heraus gesammelten Erfahrungen uns Sichtweisen dazu weitergeben:

    1. MMIC’s und Anpassung
    2. Breitbanddrosseln, Drosseln und Arbeitswiderstand
    3. Stromversorgung und deren Entkopplung

    Zu 1. Anpassung

    Von den MMIC’s wird manchmal angenommen, sie hätten eine Eingangs- bzw. Ausgansimpedanz von genau 50 Ohm. Das stimmt aber so gut wie nie denn seitens der MMIC- Hersteller kann leider nur ungefähr einen Systemwiderstand von den gewünschten 50 Ohm eingehalten werden. Ein genauerer Blick in die Datenblätter zeigt das auch: Es wird meist das SWR angegeben, wobei Werte zwischen etwa 1,2 (was ja einem ReturnLoss von etwa 20 dB entspricht und schon recht gut ist) und 2,0 (gleichbedeutend mit einem Rl von unter 10 dB) angegeben werden.
    Hinzu kommt, dass die Impedanzen keineswegs reell sind und je nach Frequenz noch einen induktiven oder kapazitiven Anteil haben. Auch hilft uns eine noch so gute Bias-Drossel nicht weiter, wir können mit ihr das Ausgangs-SWR nur in leichten Grenzen in Richtung Datenblattangaben verbessern, werden aber nie ein SWR von 1,0 erreichen!
    Eigentlich ist übersteigerter Anpassungsfetischismus an der Stelle unangebracht: Ein MMIC ist nun mal kein ideales Bauelement und an Ein- oder Ausgang schon gar kein Präzisionswiderstand. Das muss er ja zum Glück auch nicht sein. In der Regel wollen wir ja nur Pegel anheben und dazu eignet sich so ein Baustein wunderbar. Die leichte Fehlanpassung sollte uns an der Stelle nicht jucken, wir können sie eh nicht beeinflussen. Bestenfalls bei der Auswahl des Verstärkers anhand der Datenblattangaben.
    Ein beliebtes Einsatzgebiet von MMIC’s ist die Pegelanhebung für Diodenringmischer. Solche Mischer wollen auch einen Systemwiderstand von 50 Ohm an ihren Ports sehen. Sieht man sich deren Datenblätter an, findet man auch dort SWR Angaben von weit über 1,2.
    In der HF Technik kann man bei der Schaltungsauslegung nur versuchen, die 50 Ohm einigermaßen einzuhalten. Innerhalb eines Gerätes oder gar auf einer Leiterplatte sind die Verbindungen meistens relativ kurz. Bleibt man unter 1/10 der Wellenlänge kann man Fehlanpassungen meistens vernachlässigen. Zumindest gilt diese Aussage für unser QRP und Kurzwellengeräte.
    Dort wo es auf genauere Anpassungen ankommt, beispielsweise in der Messtechnik, kann man durch eine „Zwangsanpassung“ mittels resistiver Dämpfungsglieder etwas tun. Deren Dämpfung muss dann durch mehr Verstärkung kompensiert werden.


    Zu 2. Breitbanddrosseln, Drosseln und Arbeitswiderstand

    Uwe, Du hattest ja das Patent 7012485 zitiert und Untersuchungen mit der TCCH-80+ angestellt. Diese Breitbanddrossel ist zwar recht interessant, deren Anwendung ist aber wohl eher für den GHz Bereich gedacht.
    Angestrebt wird ja ein „Arbeitswiderstand“ von mindestens 500 Ohm, um den Innenwiderstand des MMIC nicht unnötig zu belasten, denn die erzeugte Leistung soll ja möglichst komplett an die folgende Stufe abgegeben werden. Insofern soll der als Nebenwiderstand aufzufassende Bias-R in etwa 10 mal größer als der Systemwiderstand sein. Dann hätten wir eine Verstärkungseinbuße von etwa 0,42 dB, was verschmerzbar wäre.
    Im Dokument AN-60-010 von minicircuits ist dazu folgende Formel angegeben:

    20log [[2Rbias + 50 ) / 2 Rbias] dB = Verstärkungsminderung

    Die Hersteller geben oft in Tabellenform einen Rbias für typische Betriebsspannungen an. Meistens liegen deren Werte unter 500 Ohm.
    Nun müssen wir uns aber überlegen, was wir mit dem MMIC denn verstärken wollen – welche Bandbreite wird gebraucht. Im Falle NWT Breitbandverstärker also von einigen 10 kHz bis etwa 160 MHz.
    Die Verstärker haben jedoch zu höheren Frequenzen hin eine geringer werdende Verstärkung. Bei den MMIC’s ist der Abfall im GHz Bereich natürlich relativ groß, im unteren Bereich (unter etwa 100 MHz) wird die Verstärkung in den Unterlagen meist nicht weiter spezifiziert, ist aber erstaunlich konstant. Wir können auch davon ausgehen, dass die Verstärkung etwas größer ist, als sie beispielsweise ab 100 MHz garantiert wird.
    Mit der Drossel wollen wir ja den wirksamen Rbias (also nicht nur den Gleichstromanteil) für die unterste Nutzfrequenz auf mindestens 500 Ohm bringen, um nicht all zu viel Verstärkung zu verschenken.
    Angenommen, wir bauen den Verstärker mit einem ERA-3 auf und wählen eine Betriebsspannung von 12 V (dazu später mehr), dann sollte der Rbias nach Herstellerempfehlung 249 Ohm betragen.
    Auch wenn man noch so pedantisch veranlagt sein sollte, bitte nicht bei Reichelt und Co versuchen genau diesen Wert zu bekommen. :D
    Wir nehmen also den nächsten Wert aus der Normreihe, bei E24 entweder 240 oder 270 Ohm. Der Baustein nimmt uns das keinesfalls übel, er hat seinerseits auch recht große Streuungen.
    Bei 240 Ohm wird unsere Verstärkungseinbuße etwa 0,86 dB betragen. Unter 100 MHz garantiert der Hersteller 22,1 dB Verstärkung (bei „idealem“ Rbias, d. h. unendlich groß).
    Wir können eine Verstärkung von über 21 dB erwarten. Hier noch mit Drosseln zu hantieren, die bei wenigen kHz schon große Werte annehmen müsste, lohnt sich wohl nicht, zumal der „Zugewinn“ nur bei etwa 0,5 dB liegen würde. Eine Große Drossel brächte weitere Nachteile mit sich: Die Eigenresonanz läge garantiert bei wenigen MHz, es müssten weitere kleinere Drosseln mit in Reihe geschalten werden. Die Drosseln bräuchten Platz und es bestünde die Gefahr, dass durch deren räumliche Größe unerwünschte Kopplungen auftreten können.

    Anders sieht der Einsatz eines MMIC’s bei hohen Frequenzen aus. Durch geschickte Dimensionierung der Drossel kann man den Verstärkungsabfall nach oben hin etwas kompensieren, was umso besser gelingt, wenn von vorn herein ein kleiner Rbias eingebaut ist (und somit bei tieferen Frequenzen etwas weniger Verstärkung in kauf genommen wird), sich dafür aber das Xl der Drossel stärker ins Gewicht bringt.

    Noch eine Bemerkung zur Wahl der Betriebsspannung:
    In manchen Veröffentlichungen werden MMIC’s mit gerade mal 5 V betrieben. Dort wo keine höhere Spannung vorhanden ist, die Aussteuerungsgrenzen unwichtig sind oder man auf die Verlustleitung achten muss, mag das berechtigt sein.
    Zwangsläufig ergibt sich allerdings ein recht kleiner Rbias und somit geht dessen Temperaturkoeffizent stärker in den Arbeitspunkt des Bauseins ein. Das Verhältnis Rbias / 50 Ohm wird verschlechtert und die Aussteuerbarkeit wird eingeschränkt. Das bewirkt höhere Intermodulationsverzerrungen (sprich auch erzeugte Oberwellen). Also wenn möglich, dem MMIC genügend Betriebsspannung spendieren. Der Nachteil ist dann allerdings eine höhere Verlustleistung an den Rbias (siehe mein vorheriger Beitrag zum Thema).
    Bei der Entscheidung, welchen Rbias wir aus der Normreihe verwenden sollten, steht wieder der vordergründige Einsatzzweck als Kriterium.
    Nimmt man den kleineren Wert wird der Kollektorstrom größer, somit auch die Aussteuerbarkeit (IP1dB), aber es tritt auch mehr Verlustleistung auf. Den Einfluss auf die Verstärkung kann man ruhig vergessen.
    Der nächst größere Wert hat genau entgegengesetzten Einfluss. Unter Umständen kann das sogar Vorteile bringen: Wenn wir Beispielsweise einem Mischer ein LO Signal liefern wollen, welches einen maximalen Pegel nicht überschreiten darf, kommt uns die begrenzende Wirkung eines MMIC’s mit kleinem Kollektorstrom (also zu großem Rbias) sehr entgegen.


    Zu 3. Stromversorgung und deren Entkopplung

    Anfangs hatte Uwe hier im Tread mehrere Varianten der Leiterplattenbestückung aufgeführt Eine Variante war, die einzelnen Stufen über jeweils eine Drossel zur nächsten Stufe mit dem Betriebsstrom zu versorgen. Dabei war kein Abblockkondensator zwischen den einzelnen Stufen vorhanden. Siehe dazu ddas erste Bild im einleitenden Beitrag zu diesem Thema.
    In der Applikation Note S001 von Agilent wird bei dem dreistufigen Verstärker der in meinen Augen gleiche tödliche Fehler auch gemacht:
    Zunächst finde ich es nicht so gut, wenn die Betriebsspannung zuerst der Vorstufe und zuletzt der 3. Stufe, bei der ja wegen der bereits erfolgten Verstärkung die größten Stromschwankungen auftreten, zugeführt wird. Das wird umso gefährlicher, je höher die Pegel werden!
    Die Drossel für die erste Stufe wird zusätzlich vom ja schwankenden Strom der 2. und 3. Stufe durchflossen und erzeugt über ihr Xl Spannungsabfälle, die sich in allen Stufen auswirken und schlimmstenfalls zu Schwingungen führen.
    Zumindest gehören bei solch einer Anordnung die Knotenpunkte Drossel und Rbias großzügig abgeblockt! Besser fände ich eine sternförmige Zuführung der Ströme vom gut abgeblockten Einspeisepunkt der Betriebsspannung. Die Abblockung sollte aus einem kleinen Elko (1 … 100µF) und über den Leiterzug verteilt mehrere Keramikkondensatoren (100 nF, SMD) erfolgen. Gestaffelte Abblockungen ( 1nF, 10 nF…) bringt entgegen einigen Applikationen nicht sonderlich viel. Eric hatte dazu mal einen interessanten Link vorgestellt.
    Wichtig ist vor allem auch die Masseflächen extrem großzügig zu gestalten. Jeden Leiterzug sollte man sich als eine Vielzahl differenziell kleiner Widerstande vorstellen, über die sowohl die Betriebsströme, als auch die erzeugten Signalströme Spannungsabfälle hervorrufen. Diese dürfen im Bereich des Eingangs nicht all zu groß sein. Daher die Stromversorgung immer in der Nähe der letzten Stufe einspeisen!
    Ich habe auch schon erlebt, dass im Frequenzgang eines MMIC’s eine „Beule“ zu sehen war. Anfangs hatte ich die Bias Drossel in Verdacht, aber nachdem ich dem Leiterzug mit der Stromversorgung noch einen Elko spendierte, war alle glatt.

    Wenn zu dem Thema MMIC’s, deren Anwendung oder zur Leiterplattengestaltung noch Fragen sind, immer her damit. Auch wenn es zu meinen Erfahrungen noch Ergänzungen oder andere Auffassungen gibt – hier können wir darüber debattieren =)

    Allen Lesern und deren Angehörigen wünsche ich eine friedliche und besinnliche Weihnachtszeit

    73 de Dietmar, DL2BZE

  • Das probiere ich auch mal aus. Habe mir gerade die PCB's und den INA bestellt. Mal sehen was dabei rauskommt.

    vy73 Jürgen

  • Hallo Uwe,
    die Platinen sind da. Aber es dauert noch ein wenig bis ich mit dem Aufbau starten kann. Ich berichte dann gern hier.

    vy73 Jürgen

  • Hallo Uwe,

    dieser MMIC ist laut Produktbeschreibung für Applikationen von 0,1 bis 3GHz bei 22dB Gain gedacht.
    Also nicht für den unteren Frequenzbereich.
    Dies würde ich aus Deinen Messungen schließen (ansteigender Gain unter 100MHz).

    Falls noch nicht bekannt, hier die AppNote AN5011 von AVAGO.

    Gruß, peter01

  • Hallo Uwe,

    hast Du das dicke "DIGEST" Buch vom FA-Verlag? Dort auf S. 207ff. findest Du einen ufb 2m-Verstärker mit selbstgebauten Wendeltopfkreisen.

    73, Andreas, DH7AZ