Polonium in alten Zündkerzen und andere radioaktive Merkwürdigkeiten der Zeitgeschichte

  • Hallo zusammen,


    das hat zwar nichts mit QRP zu tun, aber manche Sachen erscheinen mir so merkwürdig, dass sie eine Meldung wert sind.


    Die extreme Giftigkeit von Polonuim müsste ja inzwischen den meisten bekannt sein. Was mich vor diesem Hintergrund sehr überrascht hatte, war, dass von 1940 bis 1946 Zündkerzen mit radioaktiven Polonium als Zusatz verkauft wurden, um angeblich die Dauer des Zündfunkens zu verlängern. Unter http://www.seilnacht.com/Lexikon/84Polon.htm ist dies nachzulesen. Ganz unten sieht man das Bild mit den Zündkerzen und der entsprechenden werbewirksamen Verpackung, die mit radioaktiven Polonium wirbt.


    Unter http://www.orau.org/ptp/collec…20products/sparkplugs.htm findet man auch ein schönes Bild von diesen Zündkerzen.


    Also sollte jemand im auf dem Dachboden alte Zündkerzen finden, die man als Antennenblitzschutz verwenden möchte, braucht man sich bei der kurzen Halbwertszeit des verwendeten Polonium keine Sorgen machen.


    Über Zahnersatz mit Uran-Zusatz für ein strahlendes Lächeln und andere strahlende Produkte des alltäglichen Lebens berichtet eine Seite unter http://www.orau.org/ptp/collec…r%20products/consumer.htm


    vy 73 Volker SM5ZBS

    vy 73 de Volker SM5ZBS

    4 Mal editiert, zuletzt von SM5ZBS ()

  • Hallo Volker - sehr interessant und erschreckend zugleich, wie noch vor 2 Generationen mit solchen Dingen umgegangen wurde. Wenn man bedenkt, dass bezogen auf Atomgewichtsvergleich das Polonium ca 250 Milliarden mal giftiger als Zyanid sein soll, dann schüttelt es einen... Ich würde trotzdem abraten, bei derartigen Dachbodenfunden sich auf die kurze Halbwertszeit des Po210 zu verlassen, denn zB das Po209 hat schon eine HZ von über 100 Jahren und ist wie alle etwa 50 Isotope des Poloniums erheblich radioaktiv (Po210 sendet 2500 mal mehr Alpha-Strahlung aus als Radium).
    Und in den USA wird das Zeug, wenngleich in sehr kleinen Mengen, frei verkauft...

    vy73 de Fred DL6XAZ - E12 - EPC 1419 - FHC 763
    FT-8x7 & KX1 #0808 etc.
    Flying Pig #62 / DL-QRP 2543 / ARS-DL /SOWP

  • Die Zündkerzen enthielten wirklich nur Polonium 210 und wurden nur von Firestone gefertigt. Wenn heute noch jemand die gut 60 Jahre alten Zündkerzen finden sollte, ist von der Strahlung wirklich nichts mehr übrig. Auch wenn es so populär ist, aber das Amerika-Bashing ist hier fehl am Platz.


    Aber auch in unserem Lande wurde früher viel gefährlicher Blödsinn verkauft. Es gab z.B. Radiumkissen gegen Rheuma und Amulette mit Uranfüllung.


    Das größte Problem ist aber auch heute noch Radon. Radon ist ein natürlich vorkommendes Edelgas als Zerfallsprodukt von Uran und Thorium. Radon ist schwerer als Luft und sammelt sich daher vor allem in schlecht belüfteten Kellern. Radon ist neben dem Rauchen der Hauptverantwortliche für Lungenkrebs.
    Es lohnt sich also, daß Shack im Keller täglich zu lüften.


    Aus Wiki:
    Die Quelle des Radons sind das im Gestein und im Erdreich in Spuren vorhandene Uran und Thorium, die langsam zerfallen. In deren Zerfallsreihen wird das Radon gebildet. Dieses diffundiert dann aus den obersten Bodenschichten in die Atmosphäre, ins Grundwasser, in Keller, Rohrleitungen und Bergwerke. Radon aus tiefergelegenen Erdschichten erreicht dabei nicht die Oberfläche, da es bereits auf dem Weg dorthin zerfällt.


    Radon kommt deswegen vermehrt in Gebieten mit hohem Uran- und Thoriumgehalt im Boden vor. Dies sind hauptsächlich die Mittelgebirge aus Granitgestein, in Deutschland vor allem der Schwarzwald, der Bayerische Wald, das Fichtelgebirge und das Erzgebirge. Hier finden sich vor allem saure und helle (leukokrate) Gesteine. Insgesamt kommt Radon in Süddeutschland in wesentlich höherer Konzentration vor als in Norddeutschland.


    Manche Quellen besitzen einen bedeutenden Radonanteil. Bad Gastein mit den Gasteiner Heilstollen ist einer der bekanntesten Kurorte mit hohem Radonvorkommen. Ebenso auch Meran, Sibyllenbad, Menzenschwand, Bad Schlema, Bad Kreuznach, Bad Zell und Ischia im Golf von Neapel, neben Capri.

    Heinz DH2FA, KM5VT

  • Hallo Volker,


    wie der Begriff Halbwertzeit ja schon sagt und Du sicher weißt, strahlt das Zeug nach einer gewissen Zeit nur noch halb so stark gegenüber dem Wert am Anfang. Und nach nochmals der gleichen Zeit eben nur noch die Hälfte von der Hälfte usw. Doch es hört NIE auf zu strahlen und ist somit auch noch nach Jahrzehnten gefährlich.


    72/73 de Ingo, DK3RED - Don't forget: the fun is the power!

  • Ich meine mich auch zu erinnern, dasz es mal eine "Radon-Therapie" gab. Wonach sich Patienten extra in radonhaltige Hoehlen begaben...

    73
    Juergen
    nnnn

  • Zitat

    Original von Ingo, DK3RED


    ... und nach nochmals der gleichen Zeit eben nur noch die Hälfte von der Hälfte usw. Doch es hört NIE auf zu strahlen und ist somit auch noch nach Jahrzehnten gefährlich.



    Hallo Ingo,


    Du hast im Prinzip recht, doch im Falle der Zündkerzen die Anfang der 40 Jahre des letzten Jahrhunderts gefertigt wurden, haben wir mindestens 170 Zerfallszyklen, das heißt die Strahlung ist auf das 1/2^170 abgesunken.



    2^170 kann mein Rechner nicht, aber ausgehend von der Tatsache, daß nur winzige Mengen Polonium 210 in den Zündkerzen verbaut wurden, ist die Zahl der Polonium Atome endlich, das heißt konkret, irgendwann ist das letzte Atom zerfallen.

    Heinz DH2FA, KM5VT

  • In dem zusammenhahng fand ich eine begebenheit kurz nach der wende hochgratig Amysant:
    Ich hatte zu dieser Zeit im Kohrener Land zu tun, dort wurde bekanntermassen Uranerz gefördert. Die konzentrationen waren jedoch sehr gering.
    Naturgemäss ist dort in der Gegend die natürliche Radioaktivität minimal höher, und das schon seit Anbeginn der Erde ;)
    Wir waren in einer Firma eine neue Anlage einbauen, kam eines Tages eine Gruppe
    "Wessis" die ganz wichtig waren... zumindest spielten sie sich so auf und steckten Ihre Nase in alle mögliche Ecken, selbst dahin, wo es sie nichts anging....
    Da wurde es einen der Alteingesessenen zu dumm und erwähnte ganz beiläufig das ja hier überall in der Erde und den Steinen Uran sei....
    Plötzlich hatten es die wichtigen Leute sehr eillig, am liebsten währen sie zu ihren dicken Benz geschwebt um ja das Uran nicht zu berühren.... und wurden seit dem nicht mehr gesehen... warscheinlich sind sie gleich den nächsten Tag an Krebs gestorbrn :)



    PS: in der gegend ist Radon ein ernsthaftes problem, meines wissens war schon zu DDR-Zeiten Plicht, Keller mit entsprechenden Lüftungen auszustatten.
    Die Radontherapie in Bergwerken wird auch Praktiziert, das ist nach wie vor eine anerkannte Therapieform.


    Gela

  • Hallo Heinz - nee, das sollte kein Yank-bashing sein; man kehre erstmal den Dreck vor der eigenen Tür; es gab ausser den von Dir genannten Kissen noch anderes, nur ist das irgendwo im Bio-Computer nicht mehr auffindbar.
    Aber: was ist denn mit den Uran-Kernen in panzerbrechenden Granaten, die immer noch benutzt werden?
    Aber schweifen wir nicht ab...

    vy73 de Fred DL6XAZ - E12 - EPC 1419 - FHC 763
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  • hier ein sehr ausführlicher Artikel über die Verwendung "abgereicherten" Urans:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Depleted_uranium


    Die Hauptgefahr besteht wohl darin, daß die Geschosse sich beim Auftreffen durch die Panzerung "brennen". Dabei verdampft Material und das ist dann gefährlich, wenn es eingeatmet wird, da die Alphastrahlung dann direkt in der Lunge emittiert wird. Metallisches Uran an sich ist nicht toxisch.


    Interessant ist, daß bis zu 1,5 Tonnen als Trimmgewichte in der ersten Baureihe des Jumbojet 747 verbaut wurden. Beim Absturz einer uralten 747-100 (Bj vor 1980) bestünde also ggf. die Gefahr, daß Uran verbrennt und verdampft.


    Weil wir gerade bei Thema sind und uns scheinbar weit von der Funktechnik entfernt haben: Viele ältere militärische Funkgeräte aus Surplus-Beständen haben Skalenbeschriftungen mit Radiumfarbe, damit wollte man die Bedienung auch im Dunkeln sicherstellen. Zus Sicherheit also Hände waschen und während man das Gerät betreibt nichts essen.

    Heinz DH2FA, KM5VT

  • Zitat

    Original von DH2FA
    Interessant ist, daß bis zu 1,5 Tonnen als Trimmgewichte in der ersten Baureihe des Jumbojet 747 verbaut wurden. Beim Absturz einer uralten 747-100 (Bj vor 1980) bestünde also ggf. die Gefahr, daß Uran verbrennt und verdampft..


    ... was sich aufgrund des geringen Volumens ja auch anbot. Die in Amsterdam abgestürzte B747 war vor 1980 gebaut; m.W. sind in den Jahren nach dem Absturz in der dortigen Gegend überdurchschnittlich viele missgebildete Kinder zur Welt gekommen, ich habe jeoch keinerlei Details über die Ursache(n).


    Übrigens kann jeder, der wie ich eine analoge Armbanduhr mit Leuchtpunkten trägt, die Alphastrahlung selbst sehen, wenn er/sie die Uhr mal über eine Dampfkammer hält: ein hübsches "Feuerwerk" von Spuren über der Uhr!


    Die Warnung vor Leuchtziffern bei alten Geräten ist berechtigt; man kann das Problem - unabhängig von Hygieneregeln - etwas relativieren, indem man offen angebrachte Leuchtbuchstaben mit Zaponlack gegen Abreiben überstreicht.

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  • hier ist der ausführliche Report
    http://www.pubmedcentral.nih.g…render.fcgi?artid=1173116


    Die große Frage war seinerzeit aber, was die Maschine geladen hatte. Es war eine El Al Frachtmaschine aus New York, die in Amsterdamm nur nachgetankt hatte. Mysteriös waren damals allerdings die Bergungskräfte in Schutzkleidung, die sich nicht um die Menschen im zerstörten Hochhaus, sondern ausschließlich um die Bergung der Trümmer gekümmert hatten.


    Wenn man weiter Google weiter bemüht, findet man Gerüchte und wilde Spekulationen, u.a.:
    "Nun hat die israelische Fluggesellschaft El Al zugegeben, daß ihr 1992 über Amsterdam abgestürztes Flugzeug auch 240 Kilogramm einer Chemikalie (DMMP) zur Erzeugung von Sarin an Bord hatte.


    Bereits vor Jahren hatte man zugestanden, einige hundert Kilogramm Uran an Bord befördert zu haben, und in den Niederlanden hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass Atomwaffenkomponenten in der El-Al-Maschine gewesen seien, etwa Plutonium. Schwedische und niederländische Labors haben inzwischen im Boden an der Absturzstelle und im Stuhlgang von Rettungspersonal Tributylphosphat (TBP) entdeckt, eine Substanz, die bei der Herstellung von Plutonium benutzt wird."

    Heinz DH2FA, KM5VT

  • Hallo,


    das Problem an der Berichterstattung in den Medien ist für mich, daß geringste Spuren (grillt hier noch jemand?) genauso Schlagzeilen machen wie wirklich hohe Konzentrationen, man weis nie, woran man wirklich ist, nicht nur bei Radioaktivität.
    Richtig ist, mit radioaktiven Material besonders vorsichtig zu sein, man kriegt das Zeug im Unterschied zu normalen Giften nie wieder los. Menge und Anwendung entscheiden wie überall, ob es Gift oder Medizin ist.
    In DL wird übrigens die Intensität von über 40 Isotopen kontiunierlich in der Fläche gemessen. Da weis man schnell, aus welcher Quelle das Ganze kommt.
    73 Reiner


    /edit/
    Näheres zur allgemeinen Radioaktivität in DL findet man hier:
    http://www.dwd.de/de/wir/Interessantes/Radioakt/Radioakt.htm

    Einmal editiert, zuletzt von DL8LRZ ()

  • ja,soweit ich weiss, gehörte Bad Steben dazu.Mein Vater (Chemiker) machte nach dem Kriege Wasseruntersuchungen.Darunter waren auch eingesandte Proben von Brunnenbohrern,die hofften, Mineralwasser "erbohrt" zu haben. Gross war die Freude,wenn sich überdies herausstellte,dass das Wasser 'radioaktiv' war. Das wurde aufs Etikett gedruckt. Wie sich die Zeiten ändern. Wenn wir über Wahrscheinlichkeiten, ums Leben zu kommen, reden,müssen wir als Verkehrsteilnehmer...usw. Hast recht,das Leben ist lebensgefährlich,aber wenn man an die Alternative denkt...hi.
    73' Henry

  • Hallo,


    Zusätzlich zur Radontherapie und Rheumakissen gab es auch radioaktive Schokolade, die, wenn ich mich recht erinnere, Piloten gegeben wurde um deren Einsatzfähigkeit zu verbessern. Unser Dozent hatte uns damals die Verpackung gezeigt. Aber wir sollten bei allen heutigen Errungenschaften immer daran denken, dass beispielsweise Asbest oder Contergan vor "kurzer" Zeit noch ganz toll waren.


    Gruss Marcus


    Edit: Schreibfehler korrigiert

    Einmal editiert, zuletzt von DH3SCB ()

  • Hallo zusammen,


    zu dem Thema habe ich einen interessanten Aufsatz aus der "Schweizerische Ärztezeitung" entdeckt:


    Geschichte der Radiumschwachtherapie
    Radioaktivität - die pure Lebenskraft?


    http://www.saez.ch/pdf_d/2006/2006-20/2006-20-310.PDF


    Es gab radioaktive Haarwuchsmittel, Zahnpasten, Lippenstifte, Butter und Kondome. Nun - wir sind ja als Radio-Interessierte auch "radio-aktiv", allerdings in einem ganz anderen Sinne. OK - Das war nur ein krampfhafter Versuch von mir, nicht ganz off topic zu sein.


    vy 73 Volker SM5ZBS

    vy 73 de Volker SM5ZBS

    2 Mal editiert, zuletzt von SM5ZBS ()

  • Ich erinnere mich, dass meine Stiefeltern mich vor 45+ Jahren mal nach Bad Ragaz schleppten, um dort in einem 37°C warmen Mineralbad meinen Bronchien was Gutes zu tun; man durfte nur eine 1/2h darin bleiben, weil das Wasser radioaktiv sein sollte. Nun, damals wusste ich darüber so gut wie nichts, und das einzig Gute an dem Bad war der vorgewärmte Bademantel und die anschliessenden Röschti. Ich glaube nicht, dass ich mich heute solchem Bad freiwillig hingeben würde (beí den Röschtis könnte ich schwach werden...)
    Wg. Radioaktivität bei uns Hams, das ist ja höchstens bei ungesichertem Antennenbau gesundheitsgefährdend, ansonsten nur eine Art Laster :D

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  • Hallo Volker,tnx für den saez- Artikel (bin vom Fach),kannte nur ein thoriumhaltiges Kontrastmittel,das wunderschöne xray Aufnahmen ergab,aber ganz schnell wieder aus dem Handel genommen wurde ("Thorotrast"), aus den bekannten Gründen..
    Übrigens, so ganz "off topic" ist ja unser chat nicht, handelt er doch auch von Strahlung im QRP-Bereich, hi.Und er zeigt, dass wir nicht nur Radioten sind...vy 73' Henry

  • Hallo Radioaktive,


    hier noch eine schön bebilderte Seite über Doramad - Radioaktive Zahncreme und wie sie beworben wurde.


    Und auf der Seite der Health Physics - Historical Instrumentation Collection findet man noch mehr und es lässt sich richtig in Radioaktvität schwelgen. Besonders interessant finde ich dort


    http://www.orau.org/ptp/collection/quackcures/quackcures.htm und
    http://www.orau.org/ptp/collection/brandnames/brandnames.htm


    vy 73 Volker SM5ZBS

    vy 73 de Volker SM5ZBS