Eine andere Diskussion in diesem Forum hat mich zu diesem Text angeregt.
Muss ein Netzwerkanalysator vom Nutzer wirklich selbst und vielleicht noch öfters kalibriert werden? Ein Multimeter kann normalerweise auch über viele Jahre erfolgreich genutzt werden ohne das es nur einmal vom Nutzer kalibriert wurde.
Wem der Unterschied klar ist, wer sich mit der Kalibrierung von Netzwerkanalysatoren auskennt, der kann hier getrost aufhören zu lesen.
Vor geraumer Zeit hatte ich bei einem ca. 15 Jahre alten und niedrigpreisigen Multimeter einige Gleichspannungsbereiche kalibriert. Die im Datenblatt angegebene Messunsicherheit von 0,5 % + 2 Digit wurde immer noch eingehalten. Das hat mich nur mäßig überrascht. Die Messunsicherheit kann sich durch Veränderungen im Gerät vergrößern, z. B. durch Überlast, Alterung und Defekt oder Teildefekt. Das Multimeter wurde immer schön im zulässigen Bereich betrieben und gelagert und defekt war es auch nicht. Bezüglich der Alterung war von der Technik her kein großer Einfluss zu erwarten gewesen.
Arbeite ich mit einem vektoriellen Netzwerkanalysator (VNWA) so ist in der Regel bei jeder Sitzung wenigstens eine Kalibrierung fällig. Warum das? Sind VNWA so instabil? Was ist anders als bei einem Multimeter?
Messe ich mit dem Multimeter eine Spannung, spielen die Messleitungen für das Messergebnis eine untergeordnete Rolle (sofern die Leitungen gewissen Mindestansprüchen genügen). Ob die Leitungen 0,5 oder 2 oder 10 Meter lang sind, hat auf das Ergebnis praktisch keinen Einfluss.
Messe ich mit dem VNWA z. B. eine Impedanz, dann geht die Messleitung mehr oder weniger stark in das angezeigte Ergebnis ein. Leitungen wirken im HF-Bereich transformierend. Ich messe also nicht die Impedanz des Messobjektes sonder einen anderen Wert, den auf den Eingang der Leitung transformierten Wert. Dieser kann ganz erheblich von der Impedanz des Messobjektes abweichen.
Bei der sogenannten Kalibrierung von VNWA, die noch eine Justage der Messwertanzeige umfasst, wird der Effekt der Messleitung kompensiert. Angezeigt wird der Wert, der am Eingang der Messleitung ansteht. Die Messleitung ist jetzt also quasi Bestandteil des Messgerätes. Beim Ändern der Messleitung ändert sich also jedesmal die Eigenschaft der Messanordnung. Aus diesem Grund wird dann neu kalibriert (und die Anzeige justiert).
Mann könnte natürlich auch den VNWA, ganz ohne Messleitung(en), auf seine Buchse(n) kalibrieren oder der Hersteller tut dies. Dann misst man die Werte, die das Messkabel dem VNWA "zeigt". Wie groß sind dann die Abweichungen von der Impedanz des eigentlichen Messobjekts? Das soll hier beispielhaft an zwei Messungen gezeigt werden. Gemessen wird die Anschlussimpedanz einer Antenne. Wie ändern sich die Werte durch das Messkabel (die Speiseleitung)?
Messung 1 – SWR
Ist das Kabel annähernd dämpfungsfrei, wird der Wert durch das Kabel nicht beeinflusst. Bei merklicher Dämpfung misst der VNWA ein niedrigeres SWR. Hat das Kabel z. B. eine Dämpfung von 3 dB und der VNWA misst ein SWR von 1,5, dann beträgt das SWR am Anschluss der Antenne rund 2,3. Dieser Effekt kann relativ einfach von Hand herausgerechnet werden. Der VNWA kann es aber auch gleich selber tun.
Messung 2 - komplexe Impedanz
Wir wollen nicht nur das SWR wissen sondern auch, ob die Antenne einen kapazitiven oder einen induktiven Anteil zeigt und wie groß dieser ist. Das hilft beim Optimieren der Antenne. Das Kabel transformiert auch hier, gern auch kapazitiv nach induktiv und umgekehrt. Übrigens "bekommen" rein reelle Impedanzen, die nicht gleich dem Wellenwiderstand des Kabels sind, durch die Transformation einen Blindanteil und ändern ihren reellen Wert. Da soll man dann noch durchsehen. Beispielsweise transformieren bei 7 MHz 10 m Antennenkabel AIRCELL-7 50 Ohm Realteil und 400 pF kapazitiven Anteil nach rund 25 Ohm reell und 0,86 µH induktiven Anteil. Das von Hand zurückzurechnen ist schon deutlich aufwendiger.
Wenn die Korrekturen durch den VNWA erfolgen sollen, dann braucht dieser die Daten des Kabels. Der einfachste Weg zu den Daten ist das Ausmessen des Kabels. Das macht der VNWA während der Kalibrierung gleich selber. Und damit das klappt, benötigt man üblicherweise drei Bezugselemente, Kurzschluss, "offen" und Lastwiderstand (SOL - short, open, load). Die Qualität der Kalibrierung, also die Korrektheit der Korrekturrechnung, hängt stark von der Richtigkeit dieser Elemente ab. Wie Fehler der Elemente in die Kalibrierung eingehen, ist nicht so ganz einfach zu ermitteln und wird hier nicht betrachtet. Man kann die Qualität der Kalibrierelementes optisch ganz gut erkennen, wenn ein gut kalibrierter VNWA die fraglichen Elemente misst und das Ergebnis im Smithdiagramm darstellt. Abweichungen vom Idel sind dann sehr gut zu sehen.
Wer von den Kalibrier-Insidern doch weitergelesen hat, wird sicher einige Einwände haben. An ein paar Stellen habe ich vereinfacht und einiges Übergangen. Für genauere Erklärungen, für einen tieferen Einstieg gibt es gute Dokumente. Allein im Umfeld zum VNWA von DG8SAQ findet man genug.
Dieser Text ist für Nutzer von VNWA gedacht, die sich mit der Kalibrierung bisher noch wenig oder gar nicht beschäftigt haben. Vielleicht motiviert es zum und hilft beim Einstieg in dieses Thema.
73 von Ludwig, DH8WN