Mahlzeit,
ich bin zwar noch nicht so lange lizensiert wie manch einer von Euch habe aber die „goldenen Zeiten“ des Amateurfunks live miterlebt. Auch ich hatte RTTY mit HaJos Filterkonverter und einer Lo15 gemacht. SSTV war mir zu kostenintensiv, ich erinnere mich an einen ellenlangen Bauvorschlag, Anfang der 80er in der CQ/DL zum Thema Farb-SSTV, sehr interessant aber mit horrenden Kosten verbunden, Selbstbau natürlich. Bei Wraase gab es so was auch zu kaufen, da hätte mein Kreditrahmen aber wohl nicht ausgereicht.
Es ist aber so, dass die Erinnerung an die „gute alte Zeit“ immer nur auf positive Erfahrungen beruht, die negativen werden unterdrückt oder einfach nur verdrängt.
Ich erinnere mich z. B. auch an grottenschlechte Empfänger, Intermodulationen aus dem 41m Rundfunkband, den Woodpecker, russische und albanische Störsender im, damals nur 100 kHz breiten 40m AFU-Band oder an völlig übersteuerte Endstufen, weil gute Röhren halt teuer waren und statt dessen Zeilenendröhren zum Einsatz kamen. Ich könnte diese Liste jetzt fortführen aber wenn man mal ein bisschen genauer in den Erinnerungen kramt werden sich die meisten hier an ähnliche Geschichten erinnern.
Die bedeutendste Innovation im Amateurfunk der letzten 25 Jahre ist für mich der Einsatz der Soundkarte, der vielen neuen Betriebsarten den Weg bereitete und das quasi zum Nulltarif.
Angefangen hat das Ganze mit SSTV, dann kam PSKxx und vor ca. 20 Jahren WSPR, dann kamen die JT-Modes bis hin zu FT8/4. Ich finde es aber sehr anmaßend von der Betriebsart auf „richtige und falsche“ Funkamateure zu schließen. Jeder, der seine Prüfung erfolgreich abgeschlossen hat ist „richtiger“ Funkamateur ganz gleich ob mit einer Klasse N, E oder A. Das kann man auch nicht am komplexen Selbstbau fest machen, dem Einen liegt es, dem Anderen nicht. Wir mussten früher selbstbauen weil es vieles nicht zu kaufen gab oder weils einfach unerschwinglich war, das ist heute anders. Wer heute Selbstbauen will kann das. Das Internet ist voller Anleitungen, Messmittel (für die ich früher „getötet“ hatte ) gibt es zu Spottpreisen (nanoVNA, tinySA usw.) und es wird auch gebaut, auch wenn es vielleicht „nur“ Antennen sind. 
Mir persönlich sind eine ganze Menge Funkamateure bekannt, die obwohl nicht mehr verlangt, freiwillig CW lernen oder gelernt haben. Fragen wir uns doch mal wie viele CWler es heute gäbe, wäre es damals nicht Pflicht gewesen um auf KW zu dürfen? Wer will denn hier behaupten, dass er damals freudig erregt den CW-Kurs des DARC auf Schallplatte oder auf MC verfolgt hat und nicht fluchend vor dem Teil gesessen hat?
FT8 ist ganz sicher nicht meine Betriebsart aber darf ich deshalb die Nutzer verurteilen? Ein ganz klares „Nein“ von mir. Wer schon mal QRP mit Behelfsantennen gemacht hat weiß wie frustrierend das sein kann. Die 20dB Advantage die FT8 gegenüber CW hat sind dabei entscheidend. Da kann man halt auch mit kleinem Besteck Erfolge einfahren und das ist völlig legitim. Heutzutage hat man als Familienvater oder Mutter nicht mehr die Zeit, täglich 4 Stunden oder mehr im Shack zu verbringen, da muss vielleicht auch mal eine halbe Stunde reichen.
Die Zeit ist viel zu schnelllebig geworden um in Erinnerungen“ an die „gute alte Zeit“ zu verweilen, die war nämlich nicht besser, nur anders und wenn wir das nicht einsehen folgen wir als Funkamateure den Dinosauriern, die heute romantisch verklärt dargestellt werden aber ausgestorben sind.
73 Joe