Es gibt verschiedene Perspektiven, aus denen man die QRP-Bewegung betrachten kann.
Als Bastler und technisch experimentierfreudiger Funkamateur ist QRP natuerlich interessant. Es gibt viele Moeglichkeiten sich kreativ mit der Technik zu beschaeftigen, angefangen von einfachen Bausaetzen, die jeder aufbauen kann, der weiss an welcher Seite man den Loetkolben anfasst, bis hin zu Projekten die dem Stand der Technik entsprechen und so manch kommerzielles Equipment alt aussehen lassen.
Ernsthafter QRP-Betrieb bietet den Anreiz, sich intensiv mit effektiven Antennen, Ausbreitungsbedingungen und natuerlich auch geeigneten Betriebsarten (also CW) auseinanderzusetzen. Zu lernen, wie und wann man mit 5W eine DX-Station erreicht, an der der 100W-Funker, der nur ins DX-Cluster schaut verzweifelt. Zu begreifen, dass der Unterschied von 13dB zu 100W oder 21dB zu 750W selten mal egal ist, oft aber Welten ausmacht, und sich entsprechend zu verhalten.
Aus der Sicht des QRO-Funkers, DXers und Contesters allerdings, tut keiner der QRPer dies.
QRPer sind die, die im Pileup statt ihres Rufzeichens staendig ein mitleiderregendes "/QRP /QRP" senden. Diejenigen, die auf deinen CQ DX-ruf auf 80m antworten und gerade stark genug sind um zu verhindern, dass man den anrufenden VK noch arbeiten kann. Und dann nicht verstehen, dass man nur VK will und auf das "VK6?" mit "NO DK.../QRP DK.../QRP /QRP" antworten. Ja, und die QRPer funken ohnehin immer nur mit Handtaste, vergrabener EH-Antenne und rufen dich dann im Contest auf 40m 150Hz neben der Frequenz an und brauchen dann fuer den Ziffernaustausch so lange, dass in der Zwischenzeit jemand die Running-Frequenz gekapert hat. Und das alles nur, weil man nett zum QRPer sein wollte! Keine Frage, QRP ist Schrott.
Die Wahrheit liegt natuerlich irgendwo dazwischen. Die Welt in QRP und QRO zu unterteilen scheitert ohnehin ganz schnell daran, dass die Definition von "QRP" als alles was unter 5W Senderausgangsleistung liegt, ziemlicher Bloedsinn ist (und eine Einteilung nach ERP waere ebenso wenig zweckmaessig). QRP im Sinne von Selbstbau ist eine tolle Sache; das erste QSO mit einem selbst gebauten Geraet ist mehr wert als jedes neue DXCC-Land. Portabelbetrieb mit QRP macht riesigen Spass, usw. QRP-Betrieb mit einem FT1000MP, obwohl man ohne Not 100W machen kann, und den QSO-Partner mit einem schwachen Signal zu quaelen gehoert zu den Begleiterscheinungen von QRP die weniger gut gefallen, kommt aber vor.
Dass im genannten Buch auf die QRPer geschimpft wird, ist vielleicht ungerecht, aber aus deren Sicht auch nachvollziehbar. Wenn ein DXpeditionaer oder Contester ein paar tausend QSOs macht, und genau der QRPer, ohnehin schon schwach und mit mistigem Handtasten-CW dreimal auf seinen Aufruf nicht zurueckkommt, und dann darauf besteht, dass das '/QRP' mitgeloggt wird, brennt sich das natuerlich in der Erinnerung ein. Dass er unter den anderen tausenden von QSOs auch eine Menge QRPer gearbeitet hat, die mit richtiger Betriebstechnik sauber im Pileup durchkommen, weiss der OP nicht. Lids gibt es von QRP bis QRO. Eine Korrelation zwischen Leistung und Faehigkeiten des Operators gibt es im Allgemeinen nicht.
Mich persoenlich stoert, dass Selbstbau und QRP fuer viele Leute Synonyme sind, und dass die Leistungsgebrenzung von 5W fuer viele eine heilige Grenze darstellt. Ich habe selbst schon mit etwa -10dBm bis ueber 80dBm ERP gefunkt. Alles hat seinen Reiz und eine Daseinsbereichtigung. Wer sich auf einen Bereich beschraenkt, verpasst etwas. Aber nicht jeder hat die Motivation, die Zeit oder den Geldbeutel alles im Amateurfunk ausprobieren. Etwas Toleranz, in alle Richtungen, und ein dickes Fell sind hilfreich, wie so oft im Leben...