Hallo Forum,
Uli, DF4KV - auf dessen wertvolle Beiträge wir ja bekanntlich verzichten müssen, seit er nach meiner Überzeugung völlig ungerechtfertigt von DL2FI ausgesperrt wurde - hat mich auf einen interessanten Sachverhalt hingewiesen. Er schreibt:
> wenn am Leitungseingang P_in eingespeist wird, kommt P_aus am Ausgang
> an, ganz gleich ob mit oder ohne Tuner und/oder Dämpfungsglied,
> 10 * lg (P_in / P_aus) = Grund+Zusatzdämpfung nach der altbekannten Formel.
... und das ist durch Simulation verifizierbar absolut richtig !
Ich hatte angenommen und in meinem Artikel http://members.aol.com/dj5il/tl.htm geschrieben, daß wenn zwischen Generator und Leitungseingang ein Dämpfungsglied mit 20 bis 30 dB geschaltet wird, eine fast ideale Spannungquelle entsteht, deshalb die Vorwärts-Spannung auf der Leitung unabhängig von der Last nahezu konstant ist und reflektierte Leistung am Leitungseingang vom Dämpfungsglied absorbiert wird.
Diese Einschätzung stammt ursprünglich von Walt Maxwell, W2DU. Ich hatte sie intuitiv als korrekt akzeptiert, aber nie diskursiv verifiziert, wie ich das mit den anderen Betriebszuständen der Leitung schon in unzähligen Varianten praktisch und in der Simulation gemacht habe. Das war ein Fehler, der aber nun zu einer neuen Erkenntnis geführt hat - ich habe bei der Simulation folgendes festgestellt:
Tatsächlich ist relativ betrachtet (also in dB) die zusätzliche Leistungsreduktion am Ausgang eines beliebigen pi- oder t-Dämpfungsgliedes bei Fehlanpassung an seinen charakteristischen Widerstand Ro exakt identisch mit der Leistungsreduktion am Ausgang eines Generators bei Fehlanpassung an seinen Innenwiderstand RG. Beispiel: Ein Lastwiderstand von RL = 300 Ohm am Ausgang eines Generators mit einem Innenwiderstand von RG = 50 Ohm erzeugt 3dB weniger Ausgangsleistung, derselbe Lastwiderstand am Ausgang eines 20dB-Dämpfungsgliedes mit Ro = 50 Ohm erzeugt exakt dieselben 3dB weniger Ausgangsleistung als bei korrektem Abschluß, also eine tatsächliche Dämpfung von 23 dB anstatt der nominellen 20 dB. Ein Dämpfungsglied, egal wie hoch seine Dämpfung, macht also aus einem Generator mit endlichem Innenwiderstand KEINE Spannungsquelle und daher ist die Vorwärts-Spannung auf der Leitung NICHT konstant und NICHT unabhängig von der Last. Vielmehr regeln sich Spannung, Strom und Leistung am Ausgang eines xx dB Dämpfungsgliedes relativ in gleicher Weise wie am Ausgang eines Generators ohne Dämpfungsglied in Abhängigkeit von der Fehlanpassung an Ro bzw. RG, nur spielt sich das Ganze eben auf einen xx dB niedrigeren Pegel ab. Deshalb wird die von einem fehlangepaßten Lastwiderstand am Leitungsende reflektierte Leistung am Leitungseingang immer total re-reflektiert, also nie vom Generator oder Dämpfungsglied absorbiert, und zwar wegen Wellenauslöschung durch totale destruktive Interferenz zwischen Generator und Leitungseingang. Einmal an die Leitung abgegebne Energie kann also solange der Generator eingeschaltet bleibt generell nicht mehr über den gespeisten Eingang abfließen, sondern nur über den Ausgang der Leitung !
Ich werde die Sache nochmals mit Uli besprechen und in den nächsten Tagen meinen Artikel entsprechend korrigieren.
@ Ralf, DL3BUS:
> 1. In Deinen Erläuterungen sprichst Du vom Generatorwiderstand RG.
> Es ist mit Sicherheit kein ohmscher Widerstand.
doch, es IST mit Sicherheit ein Ohmscher Widerstand, sonst würde er keine Verlustleistung aufnehmen und in Wärme umsetzen können, wie er das tut !
> 2. Was ist in Deiner Formel das E? (Z=E/I<>Zo) Meinst Du die Spannung U oder
> etwas Spezielles damit?
E steht für die "elektromotorische Kraft" (EMK) und ist die Spannung U, die Elektronenen in einem Leiter bewegt (im Gegensatz zur Spannung U über den Klemmen einer Batterie, die um den Spannungsabfall über dem Innenwiderstand vermindert ist ...)
> 3. In Deiner Erläuerung zur Funktionsweise von Richtkopplern sagst Du sinngemäß,
> dass unabhängig voneinander zwei entgegengesetzt fließende Ströme I+ und I-
> gemessen werden, um die Vor- und Rückleistung unabhängig voneinander zu messen.
Nein, lies es bitte nochmal durch. Es werden die Summenspannung und der Summenstrom gemessen und daraus werden Vorwärtsspannung E+ und Rückwärtsspannung E- gebildet als Maß für Vorwärtsleistung P+ und Rückwärtsleistung P-.
> 4. Wenn ich die Literatur richtig verstanden habe, dann ist der
> Hauptverlustbringer einer Leitung der ohmsche Widerstand der Leiter.
Wenn Du eine klassische Hühnerleiter aus Blankdraht nimmst: ja, wobei die Ohmschen Verluste durch den Skin-Effekt mit der Quadratwurzel der Frequenz steigen. Aber schon wenn der Draht Kunststoffisolation hat oder spätestens wenn Du gängiges Coaxkabel nimmst, sieht die Sache anders aus: dann sind auch die dielektrischen Verluste beteiligt.
@ Tom, DC7GB:
Du schreibst ...
> Es ist weder meine Theorie (das habe ich schon oft gesagt), noch
> ist die alte Formel falsch ... Sie ist eine brauchbare Näherung
> und für den Amateur mehr als ausreichend genau ... Karl, mach es
> doch einfach besser und kläre die Diskrepanzen (Wirkleistungen > Pein
> und |r1|=1, woraus Rg=0 oder unendlich folgt, was aber nie stimmen kann).
> Wenn du keine siehst, dann erkenne ich deinen Standpunkt an, würde aber
> gerne darum bitten Deine Version zu hören.
... und bringst damit einiges durcheinander:
1) tatsächlich ist DEINE BERECHNUNG EINE NÄHERUNG (und zwar eine ziemlich schlechte) im Gegensatz zur EXAKTEN ALTBEKANNTEN FORMEL
2) Die Wirkleistung Pin = P+ + P- = Pout an einem bestimmten Punkt der Leitung ist wie die Gleichung schon sagt NICHT größer als Pin, sondern die Vorwärtsleistung P+ ist größer als Pin
3) Totalreflexion geschieht nicht nur "bei Rg=0 oder unendlich", sondern ebenso bei Wellenauslöschung durch totale destruktive Interferenz, und genau das ist am Leitungseingang der Fall.
Die von Dir erdachten Diskrepanzen existieren also nicht !
Übrigens verstehe ich nicht, wieso hier Seitenlang die wildesten dB-Rechnungen angestellt werden, wo doch ein simples qualitatives und in der Praxis sowie durch Simulation auf einfachste Weise verifizierbares Gedankenexperiment unumstößlich beweist, daß reflektierte Leistung am Leitungseingang total re-reflektiert wird:
Man schließe eine elektrisch 1/2 Lambda lange verlustfreie und am Ende offene (!) Übertragungsleitung an den Ausgang eines Generators an mit RG=Zo und schalte den Generator ein. Nun stelle ich drei einfache Fragen, die sich ganz ohne Rechnung beantworten lassen:
a) Gibt der Generator nach Eintreffen der Reflexion am Leitungseingang weiterhin Energie ab und/oder nimmt er Energie auf, d.h. gibt er Wärme ab ?
b) Was befindet sich jetzt in der Leitung ?
c) Was dürfen wir daraus folgern ?
Die korrekten Antworten lauten:
a) Nein
b) Energie
c) Daß einmal vom Generator an die Leitung abgegebene Energie nicht wieder von diesem absorbiert und deshalb reflektierte Leistung am Leitungseingang total re-reflektiert wird, obwohl der Generator mit RG=Zo an die Leitung angepaßt ist.
Und daraus ergibt sich als logische Konsequenz bei einer realen verlustbehafteten Übertragungsleitung der Zusatzverlust wie er tatsächlich ist nach altbekannter Formel und altbekanntem Diagramm, über Messung und Simulation verifizierbar, und nicht so wie Du ihn gerne hättest !
Irgendwelche Einwände ?
Könnten wir vielleicht zunächst einmal Einigung über die Implikationen dieses simplen Experiments erreichen, bevor wir uns in seitenlanger dB-Fusselei ergehen (es wird dann nicht mehr nötig sein ...) ?
Ist Dir übrigens auch aufgefallen, daß Lorenz Borucki, DL8EAW, in seinem besagten Artikel "Was geschieht auf nicht angepassten HF-Leitungen" (Funkamateur 12/2007 S.1292 ff.) die von mir und von Uli, DF4KV, in diesem Forum letztes Jahr dargelegte Tatsache bestätigt, daß eine Übertragungsleitung auch einer Gleichspannungsquelle ihren Wellenwiderstand Zo präsentiert - woraus folgt, daß Zo prinzipiell sehr wohl auch mit einem normalen Ohmmeter meßbar ist, eine Tatsache die von Dir damals vehement bestritten wurde !
DL8EAW schreibt nämlich auf S.1294:
"... Dieses Leistungsstück wird zunächst mit offenem Ende an eine Gleichspannungsquelle von 100V und 50 Ohm Innenwiderstand gelegt. Dabei läuft zunächst eine Spannungswelle von 50 V zum Leitungsende ... In der gesamten Ladezeit von 0,2 uS beträgt die Eingangsleistung 50 V * 1 A = 50W ..."
Und so schließt sich der Kreis wieder ...
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Karl, DJ5IL
P.S.: Ich bin kein Internet-Junkie und deshalb absichtlich nicht mehr täglich zugange, sondern nur noch sporadisch. Deshalb kann es mitunter einige Zeit dauern, bis ich auf Beiträge und emails reagiere .-... .-...