Lbr Thomas,
nun, auch ich habe bisher nie mit kommerziellen Meßmitteln eine AGC dimensioniert.
Neben der Zeitkonstante, in der ja prinzipiell das Verhältnis von letzter ZF zu NF steckt, spielt ja auch noch die Regelverstärkung eine Rolle und welche Stufe man zuerst bzw am stärksten abregelt und welche weniger. Insofern hängt die Ausarbeitung einer Regelung auch immer von der Schaltung und Stufenfolge des Empfängers ab.
Im allgemeinen regelt man bei Superhets ja zunächst die vorderste ZF-Stufe gleich hinter dem Quarzfilter, dann die 2. ZF-Stufe (die letzte eigentlich nie), während die HF-Vorstufen (wenn vorhanden bzw regelbar) erst zuletzt geregelt werden, wenn gewährleistet ist, daß der Signal / Rauschabstand dadurch nicht mehr beeinträchtigt wird. Daher muß man also die an einer Stelle gewonnene Regelspannung richtig dosiert auf mehrere Wege aufteilen.
Kritisch sind getrennte Regelkreise für ZF-Stufen und Vorstufen, weil diese in der Regel unterschiedliche Bandbreiten haben. Dahr kann ein starkes weitab liegendes Signal, das nie durch das ZF-Filter hindurchkommt, durch starkes Abregeln der Vorstufen leise Signale, die man hören möchte, zum Verschwinden bringen. Jemand erzählte mir so einen Fall von einem Empfänger mit digitaler ZF, bei dem die Vorstufenregelung das Übersteuern des Analog-Digitalwandlers vermeiden sollte (denn dadurch würden Probleme entstehen, die man in der analogen Technik gar nicht kennt). Dieser Empfänger war auf der Amateurfunklangwelle nicht zu gebrauchen, weil benachbarte starke Sender die Empfindlichkeit zu sehr herabsetzten.
Ich habe mich bisher nur mit der Regelung des TCA440 befaßt, bei dem ja auch schon viel durch den IC selbst vorgegeben ist; allerdings habe ich dabei noch eine zusätzliche Gleichspannungsverstärkung benutzt und eine 3-Zeitkonstanten-Methode, die ich vom Plessey 621 abgeguckt habe. Da kann einer bei SSB ins Mikrofon pfeifen, aber die S-Meter-Anzeige ist nicht anders als bei normaler Sprache. Der TCA440 regelt ja durchaus 100 dB.
Von früheren Kollegen weiß ich andererseits, daß man in den 70iger Jahren bei der Fertigung sogar Dual-Gate-FETs aussuchen mußte, um die Regeleigenschaften genügend gleichmäßig zu gestalten. Die dazu nötige Erfahrung mußte also selbst im Prüffeld vorhanden sein. Den heute viel verwendeten MC1350 habe ich noch nicht verwendet, er frißt aber auch deutlich mehr Strom als die FETs und regelt auch nicht mehr ab als 60 dB.
Aber manchmal habe ich heute den Eindruck, auf den Stromverbrauch von Empfängern guckt heute niemand mehr, am allerwenigsten bei der digitalen Empfängertrechnik (die mir völlig fremd ist und wo ich nur die Datenblätter der genannten Bausteine lese, um mir ein grobes Bild zu machen).
In dem von mir geschilderten Fall einer NF-Regelung hängt das Problem ja auch davon ab, daß wegen der benötigten großen Kondensatoren Elkos benutzt werden müssen, die bei Tantalelkos einen Toleranzbereich der Kapazität von +/-20% und bei normalen Elkos sogar +50/-20% oder so ähnlich haben können; genaue Angaben muß man dem Datenblatt des Herstellers entnehmen. Wenn man darauf nicht achtet, kann es schon passieren, daß ein Elko mit einem nominalen Wert in einer Schaltung gut gearbeitet hat und in einer anderen zu knapp ist, vor allem wenn in der Abgleichanweisung durch Potentiometereinstellungen an einer Stelle eine bestimmte Gleichspannung erreicht werden soll und durch diese Einstellung und durch FET-Streuungen auch die Regelverstärkung mit beeinflußt wird.
Insofern kann AGC halt ein diffiziles Geschäft werden.
OK?
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