Unbenutzte Windungen kurzschliessen: Sinnvoll?

  • Bei der Betrachtung einiger Schaltungsvorschläge für Antennentuner ist mir aufgefallen, daß oftmals die unbenutzten Windungen von variablen/schaltbaren Induktivitäten kurzgeschlossen werden. Meines Erachtens wird die Induktivität dabei zu einem Spartransformator, dessen Sekundärwicklung kurzgeschlossen ist. Das müsste dann doch zu Verlusten führen? Oder bin ich mit dieser Sichtweise auf dem Holzweg? Ist diese Art der Schaltung eine "verbreitete Unsitte", oder gibt es andere Gründe für solche Konstruktionen?


    73 de Roland / DK1RM

  • Hallo Roland, das ist absolut richtig. Wenn die nicht benutzen Windungen aber nicht kurzgeschlossen sind, dann können sie ins Schwingen kommen, was auch zu Verluste führt und zu eigenartigen Effekten. Autotuner sind da klar im Vorteil und haben einen deutlich besseren Wirkungsgrad, da jede Induktivität separat für sich ist und separat geschaltet wird. Während Rollspulen je nach Einstellung ein Q von 30 haben, sind die Spulenbei Autotuner oft besser als Q=200.


    73, Peter - HB9PJT

  • Nahmt,


    der Kurzschluss ist i.d.R. gut und richtig, muss natuerlich verlustarm sein (geringe Erwaermung durch die fliessenden Stroeme). Ohne diesen baut sich am offenen Spulenende u.U. eine sehr hohe Spannung auf, die zu Ueberschlaegen/Spruehen und dielektrischen Verlusten in benachbarten Teilen fuehren kann. Das kann bis zu Braenden gehen.
    Ich selbst habe vor einigen Jahren auf diese Weise eine 6mm-Kunststoffachse in einem Variometer zum Abschmelzen gebracht (bei nur 100 W). Da war mir dann der Sinn des Kurzschlusses schlagartig klar.
    73 von den Vesteraalen
    Joerg

  • Wird ein großer Teil der Spule kurzgeschlossen, um sie für ein höheres Band zu benutzen, dann ist es oft sogar notwendig, den kurzgeschlossenen Spulenteil in der Mitte nochmals zum Spulenende kurzzuschließen, damit in ihm bei diesem Band nicht ebenfalls noch eine Nebenresonanz auftritt.

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Moin zusammen,


    und vielen Dank für die ausführlichen Beschreibungen. Ich weiss nun, daß der Kurzschluß durchaus seinen Sinn hat. Wenn ich mir jedoch die sich daraus ergebenden Nebeneffekte einmal betrachte, komme ich eher zu dem Schluß, solche Schaltungen zu vermeiden, wo immer es möglich ist. Ein kleines Rechenbeispiel soll das verdeutlichen: Angenommen, ich habe eine Spule mit 20 Windungen, von denen ich nur zwei benutze (ein durchaus üblicher Wert in Tunerschaltungen). Daraus ergibt sich ein Windungsverhältnis (und eine Spannungs/Strom-Transformation) von 1:9. Widerstände werden bekanntlich quadratisch transformiert, also mit dem Faktor 81. Nehme ich nun an, jede Windung hätte einen Widerstand von 0.1Ohm (was schon ein sehr hoher Wert ist), ergeben sich für die kurzuschliessenden 18 Windungen 1.8Ohm. Dieser Widerstand erscheint nun mit dem Faktor 81 transformiert (ergibt etwa 22mOhm) parallel zu meiner verbleibenden Induktivität. Ob das Ergebnis dann noch als "Induktivität" bezeichnet werden darf, mag jeder selbst beurteilen... Habe ich mich irgendwo verrechnet, oder ist der Effekt wirklich so schlimm?


    73 de Roland / DK1RM

  • Lbr Roland,


    Wenn Du Windungen einer Spule mit einem zusätzlichen Draht oder leitendem Material kurzschließt, dann gilt als deren resultierender Widerstand doch der Widerstandswert des Kurzschlußmaterials und nicht mehr die Summe der kurzgeschlossenen Windungen! Sonst wäre der Kurzschluß doch sinnlos.


    Außerdem funktioniert diese Methode auch in der Praxis einwandfrei.


    OK?

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Während Rollspulen je nach Einstellung ein Q von 30 haben, sind die Spulenbei Autotuner oft besser als Q=200.


    Wie "schlimm" ist das bei z.B. einem L - oder T- Glied bezüglich der entstehenden Verluste? (Spielt die Betriebsgüte der verwendeten Schaltung diesbezüglich eine Rolle?)


    Die Variante mit dem offenen ungenutzten Spulenende ist mir bisher nur bei einer Tunerschaltung begegnet, das war aber an einem Parallelschwingkreis. Jörg DL3NRV beschreibt oben ja eindrucksvoll, dass das zumindest für QRO keine echte Alternative ist.


    73 Wolfgang

  • Moin Ha-Jo,

    Wenn Du Windungen einer Spule mit einem zusätzlichen Draht oder leitendem Material kurzschließt, dann gilt als deren resultierender Widerstand doch der Widerstandswert des Kurzschlußmaterials und nicht mehr die Summe der kurzgeschlossenen Windungen! Sonst wäre der Kurzschluß doch sinnlos.


    da bin ich mir nicht so sicher... Ich habe in dem Beispiel einen idealen Kurzschluß der Wicklungsenden angenommen, daher blieb nur noch der der ohmsche Widerstand der Windungen übrig. Wenn du die gleiche Rechnung mit 0Ohm durchführst, ergibt sich nach der Transformation (durch 81) doch auch 0Ohm. Damit wäre die verbleibende Induktivität definitiv sinnlos.


    Außerdem funktioniert diese Methode auch in der Praxis einwandfrei.


    Das bestreite ich auch nicht. Ich frage mich nur, "wie gut" es funktioniert. Funktioniert es vielleicht aus dem Grund, daß die Induktivität ja immer noch vorhanden ist, und der Parallelwiderstand bei der Kompensation einer entsprechenden Kapazität eher "unwichtig" ist? Glücklicherweise sind wir hier im Theoriebereich, wo solch verschiedene (für die Praxis ggf. unwichtige) Ansichten diskutiert werden können/sollen.


    73 de Roland / DK1RM

  • Hallo, Roland,

    Ein kleines Rechenbeispiel soll das verdeutlichen: ... Habe ich mich irgendwo verrechnet, oder ist der Effekt wirklich so schlimm?

    Nein, ganz so schlimm ist der Effekt glücklicherweise nicht. Du rechnest völlig richtig, aber Du rechnest einen idealen Transformator durch. Du hast aber nur einen realen (Spar-)Transformator. Der Unterschied: Die Windungen sind nicht perfekt gekoppelt.


    Die Primärseite eines realen Transformators verhält sich wie ein idealer Transformator (dass ist der, den Du kurzschließt) in Reihe mit einer Spule. Die Verluste halten sich in Grenzen.


    Ein Stichwort in dem Zusammenhang ist "Koppelfaktor".


    Es grüßt herzlich


    Andreas

    Hansdampf auf vielen Gassen, mag das Bunte im Amateurfunk.
    Vergeudet zu viel Zeit im Fediverse.

    AfuBarcamp-Aktivist (das nächste ist Online am 31.01.2024 auf treff.darc.de).
    Halte schon mal gerne einen Weiterbildungsvortrag, das nächste Mal am 19.12.2023 über HF-Leitungen auf treff.darc.de.