Dimensionierung von AGC

  • Hallo,
    beim Basteln von Empfängern ergibt sich bei mir immer wieder die Frage, wie man die Bandbreite von AGC-Verstärkern dimensioniert und die krtischen Zeitkonstanten optimal wählt bzw berechnet. Ein paar gute Kommentare dazu stehen zwar in Hayward´s "Exp Methods in RF Design" (Kap. 6), leider aber für ernsthafte eigene Konstruktionen noch nicht genug. Gibt es jemanden, der hierzu Literatur kennt und empfehlen kann?
    73 de Thomas, DF5KF

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  • Lbr Thomas,


    im Grunde gibt es für die Dimensionierung der AGC-Bandbreite ganz allgemein das Gesetz, daß die Frequenz, von der die Regelspannung abgeleitet ist, in der AGC-Spannung selbst nicht mehr enthalten sein darf.


    Daher ergeben sich unterschiedlich große Zeitkonstanten, ob man die AGC z. B durch Gleichrichten aus einem NF-Signal gewinnen will oder aus einer Zwischenfrequenz eines Empfängers.


    Erfahrungsgemäß reagiert eine AGC, die von der NF abgeleitet ist, merklich langsamer im Vergleich zu einer AGC-Ableitung von einer Zwischenfrequenz. Bei CW gibt es bei einer NF-AGC zum Anfang des Hörens meist ein leichtes bis mäßiges "Ploppen", bis sich die AGC-Spannung auf die Signalstärke eingestellt hat.


    Bei einer NF-AGC eines Gerätes, das ich mal überarbeitet habe, war das RC-Glied 10 kOhm und 2,2 uF. Da der verwendete Tantal-Elko offensichtlich Untertoleranz hatte, kam es bei offenem (aber rauschendem) Band ohne Signal zu einem Schwingen der AGC-Spannung in Form eines Sägezahnes. Nur mit einem Rauschgenerator konnte ich diesen Effekt simulieren; bei Abschluß des Empfängereinganges mit 50 Ohm und ohne Antenne trat der Effekt nicht auf. Ich habe dann den Elko auf 3,3 uF erhöht, damit die AGC stabil blieb. Das ursprüngliche Ziel dieser Dimensionierung war natürlich, die Regelung möglichst schnell einschwingen zu lassen, aber in diesem speziellen Falle war die erste Diemensionierung etwas zu knapp gewesen.


    Diese Gefahr besteht bei der Dimensionierung einer Zeitkonstante für eine von einer ZF abgeleiteten AGC kaum, wenn es um übliche CW oder Sprache als Modulation geht. Denn bei der Ableitunng der AGC von einer ZF ist der Frequenzunterschied zur NF schon so hoch, daß man die RC-Glieder der Regelung kleiner machen kann, auch ohne daß die Gefahr von Regelschwingungen besteht, z. B. 100kOhm und 0,1uF bei AM-Rundfunkempfängern. Dann stellt sich die Regelspannung so schnell auf das empfangene Signal ein, daß man beim Hören keine störenden Anfangsgeräusche mehr feststellt.


    Zumeist ist die Erzeugung einer AGC aus der ZF mit einem höheren Bauteileaufwand verbunden als bei der Gewinnung aus der NF, einfach weil bei der NF die nötige hohe Spannung zum Gleichrichten schon vorhanden ist, während die Gewinnung aus der ZF dafür meist eine höhere ZF-Verstärkung verlangt. Daher ist die NF-AGC meist bei preiswerten Geräten und Selbstbaugeräten anzutreffen.


    Die Dimensionierung einer AGC für AM ist im Grunde extrem einfach, da der AM-Dauerträger ein immer vorhandener Maßstab für die Stärke des Empfangssignals ist. Bei CW und SSB dagegen ist die Erzeugung einer AGC-Spannung generell schwieriger, da sie auch in den Sprach- und Tastpausen aufrechterhalten werden muß. Sie muß schnell ansprechen und die Modulationspausen überbrücken können, dazu trotzdem auch das Ende der Sendung schnell genug erkennen lassen. Daher hat eine gute CW/SSB-AGC oft die Funktion von drei verschiedenen Zeitkonstanten.


    FM-Empfänger haben natürlich keine AGC-Probleme, da sie mit Begrenzung betrieben werden können und die Lautstärke im Hub der FM steckt.


    Ich hoffe, daß Du mit diesen Ausführungen schon etwas anfangen kannst.
    OK?


    73

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Hallo Ha-Jo,


    deine ausführlichen Erklärungen zur Gewinnung der AGC-Regelspannung haben mich und sicher auch viele "nicht-HF-Ingenieure" sehr interessiert. In der Literatur findet man wenig Hinweise dieser Art. Danke für diese allgemeinverständliche Darstellung eines regelungstechnisch komplizierten Problems.


    Jakob, DL2GN

  • Hallo Ha-Jo,
    vielen Dank für die ausführliche und interessante Antwort auf meine AGC-Frage. Genau wie Du schreibst, Schwierigkeiten macht immer das dynamische Verhalten der Regelung. Meine Bastelobjekte waren meistens mit einer aus der ZF abgeleiteten Regelung aufgebaut. Dabei zeigte sich trotzdem eigentlich immer die Schwierigkeit, dass die Regelung um Millisekunden zu spät einsetzt (z.B. wg. Verzögerung durchs Quarzfilter), dann aber den ZF-Verstärker zu stark zuregelt. Wieder etwas später pendelt sich das ganze dann ein, jedoch hinterläßt der Vorgang bei CW-Zeichen einen unangenehmen "Plopp". Ich habe gelesen, dass man durch geschickten Aufbau und Dimensionierung der Zeitkonstante für den Regel-Zugriff (´attack time´) die Geschichte in den Griff bekommen kann. Nun bin ich kein Profi, wenn auch seit Jahrzehnten begeisterter HF-Bastler und kene mich in der Theorie solcher geregelten Schaltkreise nicht aus. Zu meiner Beruhigung schreibst Du, dass Du das Problem mit der NF-AGC empirisch durch Vergrößern der Regelzeitkonstante gelöst hast. Vielleicht steckt das Geheimnis für den Aufbau einer gut dimensionierten AGC weniger in Theorie und Berechnung als in der experimentellen Optimierung von Regelverstärkung und allenr Zeitkonstanten im Regelkreis, z.B. mit einem gepulsten Messsender. Würdest Du da zustimmen?
    Vy 73,
    Thomas (DF5KF)


    PS: congrats zum schönen Beitrag in der CQ-DL

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  • Lbr Thomas,


    nun, auch ich habe bisher nie mit kommerziellen Meßmitteln eine AGC dimensioniert.


    Neben der Zeitkonstante, in der ja prinzipiell das Verhältnis von letzter ZF zu NF steckt, spielt ja auch noch die Regelverstärkung eine Rolle und welche Stufe man zuerst bzw am stärksten abregelt und welche weniger. Insofern hängt die Ausarbeitung einer Regelung auch immer von der Schaltung und Stufenfolge des Empfängers ab.


    Im allgemeinen regelt man bei Superhets ja zunächst die vorderste ZF-Stufe gleich hinter dem Quarzfilter, dann die 2. ZF-Stufe (die letzte eigentlich nie), während die HF-Vorstufen (wenn vorhanden bzw regelbar) erst zuletzt geregelt werden, wenn gewährleistet ist, daß der Signal / Rauschabstand dadurch nicht mehr beeinträchtigt wird. Daher muß man also die an einer Stelle gewonnene Regelspannung richtig dosiert auf mehrere Wege aufteilen.


    Kritisch sind getrennte Regelkreise für ZF-Stufen und Vorstufen, weil diese in der Regel unterschiedliche Bandbreiten haben. Dahr kann ein starkes weitab liegendes Signal, das nie durch das ZF-Filter hindurchkommt, durch starkes Abregeln der Vorstufen leise Signale, die man hören möchte, zum Verschwinden bringen. Jemand erzählte mir so einen Fall von einem Empfänger mit digitaler ZF, bei dem die Vorstufenregelung das Übersteuern des Analog-Digitalwandlers vermeiden sollte (denn dadurch würden Probleme entstehen, die man in der analogen Technik gar nicht kennt). Dieser Empfänger war auf der Amateurfunklangwelle nicht zu gebrauchen, weil benachbarte starke Sender die Empfindlichkeit zu sehr herabsetzten.


    Ich habe mich bisher nur mit der Regelung des TCA440 befaßt, bei dem ja auch schon viel durch den IC selbst vorgegeben ist; allerdings habe ich dabei noch eine zusätzliche Gleichspannungsverstärkung benutzt und eine 3-Zeitkonstanten-Methode, die ich vom Plessey 621 abgeguckt habe. Da kann einer bei SSB ins Mikrofon pfeifen, aber die S-Meter-Anzeige ist nicht anders als bei normaler Sprache. Der TCA440 regelt ja durchaus 100 dB.


    Von früheren Kollegen weiß ich andererseits, daß man in den 70iger Jahren bei der Fertigung sogar Dual-Gate-FETs aussuchen mußte, um die Regeleigenschaften genügend gleichmäßig zu gestalten. Die dazu nötige Erfahrung mußte also selbst im Prüffeld vorhanden sein. Den heute viel verwendeten MC1350 habe ich noch nicht verwendet, er frißt aber auch deutlich mehr Strom als die FETs und regelt auch nicht mehr ab als 60 dB.


    Aber manchmal habe ich heute den Eindruck, auf den Stromverbrauch von Empfängern guckt heute niemand mehr, am allerwenigsten bei der digitalen Empfängertrechnik (die mir völlig fremd ist und wo ich nur die Datenblätter der genannten Bausteine lese, um mir ein grobes Bild zu machen).


    In dem von mir geschilderten Fall einer NF-Regelung hängt das Problem ja auch davon ab, daß wegen der benötigten großen Kondensatoren Elkos benutzt werden müssen, die bei Tantalelkos einen Toleranzbereich der Kapazität von +/-20% und bei normalen Elkos sogar +50/-20% oder so ähnlich haben können; genaue Angaben muß man dem Datenblatt des Herstellers entnehmen. Wenn man darauf nicht achtet, kann es schon passieren, daß ein Elko mit einem nominalen Wert in einer Schaltung gut gearbeitet hat und in einer anderen zu knapp ist, vor allem wenn in der Abgleichanweisung durch Potentiometereinstellungen an einer Stelle eine bestimmte Gleichspannung erreicht werden soll und durch diese Einstellung und durch FET-Streuungen auch die Regelverstärkung mit beeinflußt wird.


    Insofern kann AGC halt ein diffiziles Geschäft werden.


    OK?


    73

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Lbr Hajo,
    Nochmal vln dk für den neuen, ausführlichen Kommentar und sri für meine späte Antwort, momentan lässt das (nicht technische) QRL nur wenig Zeit fürs Hobby. Der Hinweis auf die in jedem Gerät andere Stufenfolge ist glaube ich wichtig. Das angesprochene Bandbreitenproblem hat mich vor Jahren bei meinem Index QRP+ ziemlich genervt, wo die AGC hinterm NF-Filter abgeleitet wird. In CW hat der QRP+ bei belegten Nachbarkanälen sehr leicht zugeregelt. Habe damals eine Zusatzplatine gebastelt wo die 50MHz ZF auf 6MHz runtergemischt, durch ein Eigenbau-CW-Filter geschickt und wieder zurückgemischt wurde. Erst danach hat CW mit dem QRP+ richtig Spaß gemacht.


    AGC-Probleme haben mich schon lange beschäftigt, aber es fehlt mir eben noch etwas der theoretische Durchblick. Momentan werkele ich an einem TS-940 von Kenwood, dem ich gerade ein neues, großsignalfestes Frontend mit H-mode-Mischer verpasst habe. Jetzt ist das ZF-Teil dran und da ist die AGC eben einer von mehreren Punkten, wo ich gerne was verbessern würde. Die AGC dieses Gerätes wirkt nicht nur auf die ZF-Stufen hinterm letzten Quarzfilter (455 kHz, Bandbreite 250 Hz, ), sondern ganz wesentlich auch über die ZF-Stufe davor. Wohl auch als Folge der Signal-Laufzeit durchs Filter ist beim Einfall starker CW-Zeichen und noch offener Regelung ein doch etwas lästiger „Plopp“ zu hören. Am Produktdetektorausgang zeigt das Scope ein anfangs deutlich überschießendes Signal, das erst innerhalb von 3-5 msec ausgeregelt wird. Ein Konzept zur Überarbeitung müsste also wahrscheinlich dahin gehen, dass die Regelung auf die ZF-Stufen hinterm Quarzfilter beschränkt wird, wo entsprechend die Regelsteilheit erhöht werden müsste. Gleichzeitig wäre auf mögliche Übersteuerungsprobleme und Rauschen zu achten. In dem Zusammenhang würde mich die erwähnte 3-Zeitkonstantenmethode mit dem TCA440 sehr interessieren, kann man das irgendwo nachlesen?


    Ich sollte vielleicht noch ergänzen, dass mir neben dem Selbstbau ganzer Geräte auch das Überarbeiten vorhandener Geräte viel Freude macht und überaus lehrreich sein kann. Für Notfälle halte ich zu den modifizierten („verbastelten“) Platinen natürlich Ersatzplatinen im Originalzustand auf Vorrat, hi.


    Für heute vy 73,
    Thomas
    (DF5KF)

    Einmal editiert, zuletzt von DF5KF ()

  • Lbr Thomas,


    meine erste Veröffentlichung zu der 3-Zeitkonstanten-Methode war im Rahmen einer Beschreibung meines TCA440-Supers, die sich über vier Ausgaben "funk" um 1984 hinzog. Die Schaltung rankt sich um einen Vierfach-Op LM324.


    Ich habe aber das Thema auch gesondert schriftlich niedergelegt und würde es dir am besten direkt zusenden, wenn Du mir hier deine email-Adresse mitteilst.


    Ich habe auch schon daran gedacht, diese Art der Regelung auch in meinen alten TS-830s einzubauen, der mir später zugelaufen ist und den ich ganz gerne benutze, vor allem als Empfänger; zum Senden eigentlich seltener. Aber bislang habe ich das Thema nicht durchgezogen.


    Mit Regelungstheorie habe ich es auch nicht. Auch die RC-Glieder einer über zwei Motore selbst auf eine Antenne abstimmende Antennenanpassung habe ich empirisch ermittelt. Mein Chef, der in Regelungstechnik promoviert hat, hat mich gewähren lassen - ihm kam es nur auf das Ergebnis an. Mit aufgezwungener Theorie hätte er mich nicht Studierten ganz schön in Verlegenheit bringen können!


    OK?


    73

    Ha-Jo, DJ1ZB

  • Lieber HaJo,
    Schon vorab vielen Dank für die Mühe, den Beitrag herauszusuchen. Meine e-mail-Anschrift ist mein_call@darc.de .
    73 von
    Thomas,
    DF5KF

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